Kapitel 6
Einige Stunden später erwachte Abby aus ihrem tiefen und
glücklicherweise traumlosen Schlaf. Sie hob die schweren Lider und war zunächst verwirrt über das Gefühl von Satinbettwäsche, die ihre Haut streifte, und die Schatten, die den riesigen Raum erfüllten.
Sie gehörte nicht zu der Art von Mädchen, die in fremden Räumen aufwachte. Und ganz sicher nicht in Räumen mit Satinbettwäsche und einem Echo, das es mit dem der St. Pauls Cathedral aufnehmen konnte.
Aber es war auf jeden Fall besser als die klumpige Matratze und der faulige Geruch, die sie beim letzten Mal empfangen hatten, sagte sie sich trocken. Und zudem war ein Paar herrlicher Männerarme um sie geschlungen.
Es war keine schlechte Art aufzuwachen.
Wenn nur diese furchtbaren Erinnerungen an Dämonen, Hexen und das Eindringen eines mächtigen Geistes nicht von Neuem mit aller Macht auf sie eingestürmt wären.
Mit einer Grimasse rollte Abby sich auf die Seite, um den Mann zu studieren, der neben ihr schlief.
Nein, kein Mann, wie sie sich nachdrücklich ins Gedächtnis rief. Ein Vampir.
Sie studierte die unverschämt perfekten Gesichtszüge im schwachen Licht. Unglaublich, dass sie nicht schon vorher auf die Wahrheit gekommen war. Er war der Traum jeder Frau. Das Leben hatte sie gelehrt, dass irgendwo ein Haken sein musste.
Alle Frauen wussten, dass die Männer, die ein Frauenherz mit einem einzigen Blick erobern konnten, entweder schwul, psychotisch oder verheiratet waren. Sie nahm an, dass sie jetzt »ein Vampir« zu der Liste hinzufügen musste.
Beinahe unbewusst hob Abby vorsichtig die Steppdecke an und enthüllte so die schlanke, muskulöse Gestalt. Zwar trug Dante noch seine Jeans, was ziemlich enttäuschend war, aber er hatte sein Seidenhemd ausgezogen. Dadurch kam eine Brust zum Vorschein, die genauso heimtückisch gut aussah, wie sie es sich in ihren heißen Träumen vorgestellt hatte.
Sie war breit und glatt, mit genügend definierten Muskeln, um die anspruchsvollste Frau zufriedenzustellen, und bettelte förmlich darum, gestreichelt zu werden.
Und zum Glück gab es keine der eigenartigen Beulen oder Schuppen, die andere Dämonen entstellten. Nicht einmal eine Tätowierung verunstaltete die Alabasterhaut.
»Guten Morgen, Liebste«, durchdrang plötzlich eine rauchige Stimme die Stille.
Abby riss den Kopf nach oben und nahm den silbernen Spalt wahr, der unter den schweren schwarzen Wimpern aufblitzte.
Das hier war wirklich peinlich.
Es war eine Sache, mit Toilettenpapier am Schuh herumzulaufen. Oder Lippenstift an den Zähnen zu haben. Oder sogar eine unbezahlbare Mingvase zu zerstören.
Aber dabei erwischt zu werden, wie man unverhohlen einen halb nackten Mann anstarrte, wenn er schlief...
Das war absolut unanständig.
Abrupt ließ sie die Steppdecke fallen, als hätte sie sich daran die Finger verbrannt.
»Ich... wusste nicht, dass du wach bist.«
»Ich bin vielleicht tot, aber nicht einmal ich kann schlafen, während eine schöne Frau mich anstarrt. Sage mir, meine Süße, wonach hast du gesucht? Nach einem Hörn und einem Pferdefuß?«
Allein die Tatsache, dass sie das heimliche Bedürfnis gehabt hatte, sich selbst davon zu überzeugen, dass er über keinerlei seltsame äußere Kennzeichen verfügte, ließ sie augenblicklich in die Defensive gehen.
»Nein, natürlich nicht.«
»Oh, dann hattest du wohl vor, mich zu missbrauchen, während ich schlief? Das ist etwas pervers, aber es gefällt mir.«
»Nein... ich...« Abby musste verlegen akzeptieren, dass sie auf frischer Tag ertappt worden war. Was blieb ihr anderes übrig, als die Wahrheit zu gestehen?
»Ich glaube, ich war einfach neugierig. Du kommst mir so ... normal vor.«
Er versteifte sich bei ihrem widerwilligen Geständnis.
»Du meinst, menschlich?«
»Ja.«
»Bist du jetzt enttäuscht oder erleichtert?«
Abby zuckte leicht mit den Schultern. »Nach Haiford und den Höllenhunden muss ich wohl gestehen, dass ich etwas erleichtert bin.«
Ohne Vorwarnung fand sie sich auf dem Rücken liegend wieder. Dante ragte über ihr auf, seine Hände rechts und links neben ihrem Kopf aufgestützt.
»Ich besitze vielleicht keine drei Augen, und es tropft mir auch keine Säure von den Fangzähnen«, meinte er, wobei seine schönen Züge unerwartet ernst blieben, »aber du solltest nie den Fehler begehen, dir vorzumachen, ich wäre ein Mensch. Ich bin ein Vampir, Abby, kein Mensch.«
Ihr Herz setzte einen Moment lang aus, als sie den gefährlichen Krieger anstarrte, der über ihr schwebte. Mit einem Mal schien er weit davon entfernt, menschlich zu sein. Er war der elegante Tod, der ihr Leben in seinen Händen hielt.
»Was meinst du damit?«, flüsterte sie. »Dass ich dir nicht trauen kann?«
Er runzelte die Stirn. »Natürlich kannst du mir trauen. Ich würde sterben, bevor ich zuließe, dass dir irgendetwas geschieht.«
»Was dann?«
»Ich will einfach nicht, dass du dir vorzumachen versuchst, ich sei etwas, was ich nicht bin.« Sein metallischer Blick bohrte sich tief in ihre Augen. »Das wird sich für uns beide bloß als schmerzlich erweisen.«
Sich vormachen, er sei kein Vampir? Meine Güte, wovon redete er da? Sie konnte so tun, als sei ein Schokoladeneisbecher eine ausgewogene Mahlzeit, solange er mit Erdnüssen und Schlagsahne garniert war. Oder als wäre Johnny Depp ihr wahrer Selengefährte, wenn er sich nur die Mühe machte, sie kennenzulernen.
Aber dass dieser Mann kein Vampir sei?
Ha.
Aber als sie den Mund öffnete, um ihn darüber zu informieren, dass er wohl den Verstand verloren hatte, zögerte sie sonderbarerweise ganz plötzlich.
Verdammt. Konnte sie ehrlich sagen, dass sie nicht hin und wieder während der letzten Stunden versucht hatte, die Wahrheit über Dante zu vergessen? Zum Beispiel während seiner zärtlichen Verführung in der Badewanne? Und als sie sich in der Dunkelheit an ihn geklammert hatte, als sei er ihr Schutzengel?
Es war ohne Zweifel ihre ureigene Art, das zu ignorieren, was sie nicht sehen wollte.
Sie schlug die Augen nieder und kämpfte gegen den lächerlichen Drang zu erröten an. »Wir sollten aufstehen.«
»Abby, bitte schließ mich nicht aus«, sagte Dante, wobei seine dunkle Stimme sanft und angenehm rau klang und ihr eine wohlige Gänsehaut verursachte. »Ich wollte dir keine Angst einjagen. Es ist nur...«
Gegen ihren Willen hob Abby den Blick, um seinem zu begegnen. »Nur was?«
»Ich will, dass du mich als den kennst, der ich bin, nicht als irgendein rosarotes Abbild deiner Wünsche hinsichtlich dessen, was ich sein könnte.«
»Ich habe gesehen, wie du mit dem Dämon gekämpft hast, Dante. Ich weiß, was du bist.«
Ernst entgegnete er: »Nein, das weißt du nicht, aber du wirst es letzten Endes erfahren. Und das ist das, was ich fürchte.«
Und plötzlich verstand Abby. Hier ging es um mehr als nur ihre unbeständige Meinung über Vampire. Es ging darum, dass sie ihm glaubte. Ihm vertraute.
»Wir wissen beide, dass ich schon tot wäre, wenn du ein Mensch wärst. Ich wäre eine Heuchlerin, wenn ich mir wünschen würde, du wärst etwas anderes als das, was du bist«, gab sie mit einem zögernden Lächeln zu. »Außerdem lässt mich meine Vorgeschichte mit Männern der menschlichen Rasse nicht gerade danach streben, bis in alle Ewigkeit einen von ihnen am Hals zu haben.«
Dante entspannte sich bei Abbys Geständnis. »Keine Ritter in schimmernder Rüstung?«
»Ritter? Wohl eher Vollidioten.«
»Vollidioten?«
»Nun ja, mein letzter Freund ist von mir zu unserem Postboten übergewechselt, und ich meine wirklich einen Postboten. Und der davor blieb gerade lange genug, um mir meine Geldautomatengeheimzahl zu klauen, so dass er mein Konto leer räumen konnte.«
»Wertloses Pack.« Dante kniff die Augen zusammen.
»Unglaublicherweise waren die noch eine Verbesserung gegenüber meinem ersten Freund, der meinte, die beste Art, einen Streit zu beenden, wäre mit den Fäusten.«
Es wurde totenstill, als Dante in Abbys Gesicht forschte.
»Er hat dich geschlagen?«
»Nur einmal. Ich lerne wenigstens aus meiner Dummheit.«
»Willst du, dass ich ihn umbringe?«
Abby sah ihn verwirrt an. Sie war sich nicht sicher, ob er scherzte. »Oh... also... das ist natürlich ein verlockendes Angebot, aber ich nehme an, ich sollte es ablehnen.«
Er zuckte die Achseln. »Das Angebot gilt unbegrenzt, wenn du deine Meinung ändern solltest.«
»Eigentlich ist es mir lieber, einfach zu vergessen, dass sie je existiert haben«, versicherte sie.
»Das ist natürlich so etwas Ähnliches wie eine Lösung.« Sein Blick glitt zu ihren vollen Lippen, bevor er wieder aufschaute. »Aber denkst du auch, dass sie klug ist?«
Abby hatte ein etwas surreales Gefühl. Ganz bestimmt holte sie sich nicht gerade Beziehungsratschläge bei einem halb nackten Vampir, der ganz zufällig über ihr thronte, oder?
Ein halb nackter Vampir, der unglaublich sexy war.
»Ich würde sagen, das ist zumindest klüger, als die Kerle aussaugen zu lassen«, brachte sie hervor.
»Ich frage mich bloß, ob du wirklich aus deinen Fehlern gelernt hast«, meinte Dante.
»Ich habe gelernt, dass ich ein mieses Urteilsvermögen habe, wenn es um Männer geht.«
»Oder du suchst dir diejenigen aus, die dazu prädestiniert sind, dich zu enttäuschen, so dass du dir keine Gedanken darüber machen musst, dich emotional zu binden.«
»Oje, bitte spiel hier nicht den Psychiater«, murrte Abby. Sie war überhaupt nicht in der Stimmung, sich darüber Gedanken zu machen, ob er vielleicht recht hatte. »Das Letzte, was ich brauche, ist eine Psychoanalyse durch einen Vampir.«
»Hey, meine Eigenschaft als Vampir verschafft mir einige Einsichten. Man lebt nicht mehrere Jahrhunderte lang unter Menschen, ohne etwas über ihre eigentümlichen Angewohnheiten zu lernen.«
»Du weißt überhaupt nichts über mich.«
»Nein?« Er lächelte leicht. »Ich weiß, dass du Zwiebeln und Thunfisch nicht magst, dass du jeden Tag dein eigenes Gewicht in Schokolade zu dir nimmst, ohne je auch nur ein Kilogramm zuzunehmen, und dass du ein Rezept brauchst, um "Wasser zu kochen. Ich weiß, dass du so tust, als mögest du klassische Musik, aber einen Punkrocksender einschaltest, wenn du denkst, niemand sei in der Nähe. Außerdem weiß ich, dass du dich vor der Welt versteckst und dass du einsam bist. Du warst schon immer einsam.«
Pflichtbewusst versuchte Abby zu atmen. Leider weigerten sich ihre Lungen zu kooperieren.
Dieser verdammte Kerl. Sie hatte die vergangenen drei Monate damit verbracht, ihn mit heimlicher Faszination zu beobachten. Trotzdem hatte sie nichts Persönlicheres herausgefunden als die Tatsache, dass er sträflich gut aussah und unvergleichlich gut Klavier spielen konnte. Sich vorzustellen, dass er sie so mühelos hatte ausspionieren können, war mehr als nur ein wenig enervierend.
»Schön«, murmelte sie. »Ich habe ein Problem mit Intimität. Und so weiter und so fort. Können wir jetzt aufstehen?«
Dantes Lächeln wurde breiter. »Es gibt keinen Grund zur Eile. Die Sonne geht gerade erst unter.«
»Nun ja, du könntest etwas Sonne vertragen«, teilte Abby ihm trocken mit. »Du bist sehr blass.«
»Du sähest es wohl gerne, wie ich zu Staub zerfalle?« In seinen Augen glomm plötzlich ein Feuer auf. »Und wie sollte ich dich beschützen, wenn...«
Fasziniert von seiner Stimme, die wie dunkler Honig klang, und dem Versprechen, das seine Züge weicher werden ließ, hätte Abby beinahe den Schatten übersehen, der langsam hinter Dantes Kopf auftauchte. Aber als er sich bewegte und näherte, entrang sich ihrer Kehle ein Schrei.
»Nein!«
Da er von der intensiven Lust abgelenkt war, die ihn so leicht erfüllte, wenn diese Frau sich in seiner Nähe befand, war Dante unvorbereitet, als Abbys Schrei die Luft zerriss und sie sich aufsetzte.
Er wurde auf den Rücken geworfen. Deshalb hatte er einen Moment lang mit den Decken zu kämpfen, in die er eingewickelt war. Einen Moment zu lang. In dieser Zeit war Abby bereits von der Matratze aufgesprungen und hatte die über ihr aufragende Gestalt angegriffen.
»Abby, nein«, befahl Dante und erhob sich mit einer fließenden Bewegung, in dem verspäteten Versuch, ihren unüberlegten Angriff zu stoppen.
Er erhaschte nicht mehr als einen Blick auf den Mann, bevor sie den Eindringling vom Bett wegstieß und beide zu Boden stürzten. Blitzschnell half Dante Abby auf und kniete sich neben den unbeweglichen Körper.
»Das reicht, Liebste, er ist tot«, erklärte er. Sein Blick hatte rasch den modrigen schwarzen Anzug und die hagere Hand erfasst, die noch immer einen Holzpflock umklammert hielt. Ein Vampirattentäter. »Zum zweiten Mal, wenn ich mich nicht irre.«
Abby, die ihr Handtuch mit tödlichem Griff umklammert hielt, betrachtete die regungslose Gestalt angeekelt. Und das war wohl auch kein Wunder. Von einem verwesenden Leichnam angegriffen zu werden war tendenziell ein einmaliges Ereignis.
»Mein Gott, was ist das?«
»Eine Scheußlichkeit.«
»Was?«
»Ein Zombie.« In Dantes Stimme war Abscheu zu erkennen. Selbst in der dämonischen Welt wurde die Anwendung einer solchen Magie verurteilt. Das Reich der Unterwelt zu stören war ein Sakrileg. »Eine tote Hülle, die von mächtiger Magie belebt wurde. Und zwar mehr Magie, als die meisten Dämonen besitzen. Er war weder lebendig noch tot, was erklärt, warum ich ihn nicht gespürt habe und warum es ihm gelungen ist, durch Vipers Schutzzauber zu schlüpfen.«
»Zombies.« Abby lachte kurz und fast hysterisch auf. »Na toll. Ganz toll. Jetzt fehlen uns nur noch ein paar Mumien und ein Werwolf, um unseren offiziellen Monster-Spielkartensatz zu vervollständigen.«
Dante berührte den kalten Körper, der mit dem Gesicht voran auf den Boden gefallen war. »Abby, du musst mir sagen, was passiert ist.«
»Was meinst du?«
»Nachdem du den Zombie gesehen hast, was hast du getan?«
Er fühlte, wie sie bei seiner bohrenden Frage unbehaglich von einem Fuß auf den anderen trat. »Du warst doch hier. Du weißt, was passiert ist.«
Dante hob den Kopf, um ihrem verwirrten Blick zu begegnen. Sie stand noch immer unter Schock durch die unerwartete Begegnung mit Gewalt, aber im Augenblick konnte er sie nicht so beruhigen, wie er es sich wünschte. Es war dringend erforderlich, dass er alles über diese neueste Bedrohung erfuhr, was er nur konnte.
»Bitte, Abby, erzähl mir mal ganz genau, was du getan hast.«
»Was spielt das für eine Rolle?« Sie erschauderte. »Er ist tot, oder?«
»So tot wie Elvis. Die Frage ist, warum er tot ist.«
»Nun ja, es hat vielleicht etwas mit dem tiefen Loch in seinem Schädel zu tun.«
»Nein, dadurch ist er beim ersten Mal gestorben. Als er das Zimmer betrat, war er durch Magie belebt, nicht durch einen Herzschlag. Nichts außer Feuer hätte ihn töten können, vorzugsweise Feuer der okkulten Art.«
»Feuer?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn nur gestoßen.«
Dante drehte den Leichnam um und riss mit einem Ruck das weiße Oberhemd auf, in dem der arme Teufel begraben worden war. In dem matten Licht war die Verwesung der Brust kaum zu erkennen, aber was nicht zu übersehen war, waren die tiefen Brandstellen in Form von zwei Händen.
Abbys Händen.
»Kein schlechter Stoß, Liebste«, murmelte er.
Ein Ton drang tief aus Abbys Kehle, während sie vor Entsetzen hastig zurückwich. »Meinst du damit, dass ich das war?«
Die tiefe Qual in ihrer Stimme brachte Dante dazu, aufzuspringen und sich direkt vor sie zu stellen, wobei er ihr praktischerweise die Sicht auf die hässliche Leiche nahm.
»Ich meine damit, dass du mich gerettet hast«, teilte er ihr ernst mit. »Wenn du den wandelnden Leichnam nicht aufgehalten hättest, wäre ich längst auf dich heruntergeregnet, und zwar in einem sehr unvorteilhaften aschgrauen Ton.«
»Aber wie?«, flüsterte sie. »Wie war ich zu so was in der Lage?«
Dante legte seine Hände auf Abbys Schultern, um sie beruhigend zu streicheln. »Ich habe dir gesagt, dass der Phönix Wege fände, um sich zu schützen. Du brauchst keine Angst zu haben, Abby.«
In den leuchtend blauen Augen blitzte ein kaum verhohlenes Entsetzen auf. »Ich habe gerade große Löcher in dieses... Ding gebrannt, ohne auch nur zu wissen, was ich tat.«
»Du hast dich selbst beschützt. Und zum Glück mich gleich dazu.«
Abby hob die Hände, um sie anzustarren, als handle es sich bei ihnen um fremde Objekte. »Aber ich weiß nicht mal, wie ich es getan habe.«
»Spielt das eine Rolle?«
»Natürlich spielt es eine Rolle«, gab sie mit scharfer Stimme zurück. »Ich habe Feuerkind von Stephen King gesehen. Denkst du, ich will zu einer verdammten menschlichen Fackel werden?«
Dante unterdrückte angesichts ihrer Angst schnell seinen aufflackernden Humor. Trotz all ihres Mutes hing Abbys Verfassung an einem seidenen Faden.
»Liebste, beruhige dich. Du bist keine menschliche Fackel.« Sanft griff er nach einer ihrer Hände und legte sie mitten auf seine Brust. Eine scharfe, glühende Hitze durchzuckte ihn bei ihrer Berührung, aber sie hatte nichts mit der Macht des Phönix zu tun. »Siehst du?«
»Aber...«
»Abby.« Er lehnte seine Stirn gegen ihre und drückte ihre Finger in stummem Trost. »Das ist nichts anderes als deine Fähigkeit, einen Mann mit einem gezielten Tritt aufzuhalten oder diese Nägel als tödliche Waffen einzusetzen. Es ist schlichtweg ein anderes Mittel. Eines, das dich ganz einfach überleben lassen kann.«
Abby blieb eine lange Zeit steif in seinen Armen, aber schließlich kicherte sie unter Tränen. »Gibt es eigentlich irgendwas, was dir wirklich Sorgen macht?«
Dante rückte ein Stück von ihr ab und zeichnete mit dem Finger den Weg der Träne nach, die Abby über die Wange rann. »Das hier macht mir Sorgen. Und es tut mir tief im Inneren weh.«
»Dante.«
Die Verletzlichkeit, die Abbys Gesichtszüge weicher machte, war Dantes Verderben. Er konnte einfach nicht widerstehen und küsste sie sanft auf die Lippen. Es war ein Kuss, der ihm durch Mark und Bein ging.
Langsam schloss er seine Arme fester um ihren zitternden Körper, um sie auf die einzig mögliche Art zu trösten. Zum Teufel, er wollte sie von diesem dämonenverseuchten Durcheinander wegbringen. Natürlich war das ein unmöglicher Wunsch. Bis sie die Hexen gefunden hatten, war alles, was er tun konnte, zu versuchen, sie zu beschützen, und zu hoffen, dass sie die Schrecken heil überstand, die noch kommen würden.
Er streifte ihre Wangen und ihren Kiefer mit seinen Lippen und flüsterte geduldig ermutigende Worte, bis er spürte, dass ihr Zittern nachließ.
»Abby«, murmelte er schließlich und trat einen Schritt zurück, um ihr in das düstere Gesicht zu blicken. »Wir können hier nicht länger bleiben. Ich glaube, wir sollten unsere Sachen zusammenpacken und uns darauf vorbereiten zu gehen. Wir wissen nicht, wie viele andere Zombies noch in der Gegend lauern.« Obschon noch immer blass, hatte Abby erneut ihren eisernen Mut zusammengenommen. Sie hob entschlossen das Kinn. »Wohin gehen wir?« »Wir suchen nach dem Hexenzirkel«, antwortete Dante, ohne zu zögern. »Und das bedeutet, dass ich zuerst mit Viper sprechen muss.« Abby sah ihn erstaunt an. »Er weiß, wo der Hexenzirkel ist?« Dante lächelte leicht. »Nein. Aber er verfügt über das, was wir brauchen, um die Hexen zu finden.« »Und was ist das?« »Das Beförderungsmittel.«